Mein heutiges Ziel war eigentlich Königslutter am Elm. Die Stadt liegt kurz hinter Braunschweing.
Morgens weckte mich die Sonne und ich hörte in weiter Ferne einige Traktoren. Da kam mir direkt der Gedanken, großer Traktor kommt hier gleich rein. Innerhalb von 15 Min. war ich gepackt und schob mein Fahrrad vom Feld Richtung Weg und dann einen sehr steilen Feldweg weiter hinauf, dort war nämlich eine Bank. Ich wollte mir dort in Ruhe waschen. Oben benutze ich meine Feuchtigkeitstücher (die NIE fehlen sollten auf solchen Fahrten) als Dusche. Haare waschen, Zähne putzen und weiter ging es.
Ich hatte leider noch eine halbe Falsche Wasser, also hoffentlich wird gleich dann ein Haus oder irgendwas kommen, wo ich meine Flaschen auffüllen kann. Zudem spürte ich leichte schmerzen im linken Knie, es wurde also bisschen besser, aber ich wollte es nicht all zu sehr belasten, deshalb fuhr ich den sehr löcherigen Weg mit einem Bein weiter.
Unglaublich, 500 Meter weiter, was sehe ich da? Den Campingplatz! Unglaublich, da nehme ich morgens irgend ein Weg Richtung Osten und lande ganz kurz darauf auf dem Campingplatz den ich am Vorabend verzweifelt versucht habe zu finden. Wie dem auch sein, ich habe so mit Geld gespart und habe was zu erzählen! Also habe ich nichts falsch gemacht!!!
10 Min. mit einem Ehepaar gesprochen (der Mann wohnt dort seit sehr vielen Jahren, kommt aber ursprünglich aus Bochum, er wohnte wenige Kilomenter von mir wo ich noch in Bochum gewohnt habe) und von denen erfuhr ich, wo es ein Geschäft in Coppenbrügge gibt! Ab dahin und als Gammler rein in den Laden! Mein kaputter und löchriger Strohhut war natürlich dabei. Wasser eingekauft, dann zum Bäcker Brötchen und Kakao geholt und meine Router durch gegangen. Belegte Brötchen können sooooo gut schmecken und einem wieder so viel Kraft geben, wow! Noch zur Bank und los ging es Richtung Hildesheim und Braunschweig! Unterwegs fragte ich noch Leute, in welchem Bundesland ich sei, sie sagten Niedersachsen und schauten mich verwirrt an, ich grinste dabei und bedankte mich höflich.
Die Fahrt verlieft in den nächsten 3 – 4 Stunden eher langweilig. Ich hörte die Musik und genoss die Hitzewelle, die ich wegen des Fahrtwindes kaum spürte. Ein Strohhut ist dabei wirklich sehr hilfreich, lässt Luft durch und schützt vor der Sonne, auch mit einem Loch 🙂 Hin und wieder hielt ich unter einem Baum an, schmierte mich mit Sonnenmilch ein, trank was und fuhr weiter. Fragte auch immer wieder Leute nach dem Weg. Doch eine Fahrt mit einem Bein fordert mehr Kraft als mit zwei. So mit ging bei mir die Kopfsache wieder los, ich kämpfte jetzt allmählich wahrlich von Dorf zu Dorf. Die beiden Fingerkuppen meiner rechten Hand waren taub, nun fing auch meine linke Hand und ebenfalls die kleinen Finger an taub zu werden. Meine Motivation war gegen Null.

Fahrradwege gab es kaum und immer wieder LKWs. Ich war inzwischen von allem genervt und kämpfte mich von Kilometer zu Kilometer weiter. Hin und wieder in Dorf, es ging aber nur noch gerade aus, kaum Abwechslung. Ganz kurz, ich glaube für ganze 5 Sekunden, kam mir der Gedanke auf, was ich hier eigentlich treibe und dachte ans Aufgeben, aber wie gesagt, 5 Sekunden vielleicht, könnten aber auch vielleicht 4 gewesen sein. Ich musste diese ganzen schlechten Gedanken ausschalten, so mit konzentrierte ich mich auf die Musik und fuhr von Dorf zu Dorf. Manchmal pfiff ich die Melodie eines Liedes, lies schon mal ein Lied mehrmals hintereinander laufen, es setzt mich in ein eine Art Gedankentrance.
Ich setzte mir kleine Ziele: Jetzt noch 5 Kilometer, jetzt noch 3 km, bis zum nächsten Dorf sind es noch 4 Kilometer, die eine Kurve, dann die Brücke usw. Ich sagte mir auch immer und immer wieder, dass ich die Hälfte schon geschafft habe. Mein großes Endziel war inzwischen Berlin, denn dort werde ich viel neue Kraft tanken können, sagte ich mir. Ich belog mich also selbst, damit die Fahrt nicht zu schlimm wird.
Immer noch humpelt fahrend und nervlich am Ende kämpfte ich immer weiter. Mein kaputter Strohhut half mir wirklich sehr. Ich habe mir wegen den LKWs eine Schnurr durch den Hut gezogen und mit kleinen Stöckchen an der oberen Seite befestigt, damit die Knoten nicht einfach rausflutschen. Der LKW-Wind war manchmal sehr stark, so dass der Hut mir vom Kopf flog.
Ich machte inzwischen in jedem Dorf eine Trinkpause, die Sonne knallte mir richtig ins Gesicht. Lange konnte ich leider nie halten, da ich dann keinen Fahrtwind hatte und die Hitzewelle spürte. Also musste ich so mit weiter. Ich wünschte mir in dem Moment einfach einen See, wo ich mich abkühlen, waschen und einfach nur kurz die Fahrt vergessen könnte. Das wäre die Rettung für mich.
Als ob ich von irgendwem erhört worden bin, wenige Kilometer weiter sah ich plötzlich das und konnte es wirklich nicht glauben:

Ich war soooo glücklich, rein in den See, bisschen abkühlen, schwimmen, waschen, herrlich!!! So ein See kann einen so viel Energie geben, das glaubt man erst, wenn man es wirklich nötig hat.
Wieder grinsend und glücklich ging es weiter. Mein Wasser wurde leider knapper. Körperlich hängt mir immer noch der 2. Tag in den Knochen. Tortzdem musste ich weiter fahren, ich hoffte mein linkes Knie wird nicht anschwellen, das wäre richtig schlimm. Das Problem hatte ich schon vor einigen Jahren gehabt.
In einem Dorf mit paar Menschen hielt ich an einem kleinen Lokal an und gönnte mir einen Möhreneintopf (ich mag Suppen 🙂 ) und gehe noch die Route durch. Danach ging es weiter Richtung Braunschweig.

Endlich Braunschweig! Fertig, unrasiert, mit einem tollen Strohhut und dem Gepäck fuhr ich südlich von Braunschweig entlang. Irgendwie schauen mir die Leute so komisch an, ich weiß nur nicht warum 🙂 Aber in ein Hotel oder ähnliches gehe ich auf keinen Fall. Eigentlich wollte ich so schnell wie möglich raus aus der Stadtregion, ich hatte keine Kraft mehr um an jeder Ampel und Kreuzung stehen zu bleiben. Das Anfahren kostet zu viel Kraft. Dann noch der ganze Verkehr und Menschen, das ist bisschen zu viel für mich. Ich humpelte weiter auf dem Rad und kam endlich raus aus der Region Richtung Cremmingen. Ich weiß nicht mehr welchen Weg ich eigentlich gefahren bin, ich wurde ja öfter auf Abkürzungen bzw. irgendwelche Feldwege geleitet. Schon kurz nach Braunschweig tat mein Knie unheimlich weh, dass ich einfach nicht mehr konnte und hatte keine Idee wo ich jetzt schlafen sollte. Ich fragte paar Dorfbewohner ob die mir was empfehlen können wo man schlafen kann, eine Wiese, Wald, Bauern, egal was. Ja es soll eine Wiese geben. Ok, ich behielt es im Hinterkopf! Fuhr dennoch weiter.
Ich traf dann wenige Kilometer weiter im nächsten Dorf auf eine Polizeistation, wer kennt sich besser in der Region aus als Polizeibeamte, also ging ich rein. Höflich nahm ich den Hut ab und fragte ob die mir einen Tipp, einen Bauern, Campingplatz oder ähnliches nennen können, wo ich eine Nacht schlafen kann. Ich erwähnt dass ich auch völlig fertig von der Tour bin ich auch nicht viele Kilometer schaffen werde. Bis Königslutter hatte ich sicherlich noch 30 km. Die netten Beamten sagten mir, dass sie nichts dagegen hätten, wenn ich eine Nacht im Wald verbringen würde. Auf die Frage wo am besten, durften sie mir leider keine Tipps geben, allerdings wenn ich 3 – 4 km weiter fahre, könnte ich mir einen schönen Wald auf der rechten Seite anschauen. Man, war ich froh, dass die Polizei einem weiter half! Vielen Dank!!!
Ab auf das Rad und weiter ging es! Nach richtig quälenden Kilometern fand ich vor einem Dorf ein Waldstück. Natürlich lag der Wald einige Meter höher. Ich schob wirklich mit letzter Kraft das schwere Paket den Berg hinauf und war endlich im Wald. Das schöne war, ich sah und spürte keine Bremsen!. Ein wenig tiefer im Wäldchen legte ich mein Rad zur Seite und ging in den mit blättern übersäten Wald. Jeder meiner Schritte war unheimlich laut. 50 Meter vom Weg fand ich kleine Lichtung. Ich schob mein Fahrrad dort hin, baute mein Zelt und legte mich hin um mich einfach nur auszuruhen.


Es war noch relativ hell, ich glaube es war erst gegen 20 Uhr rum. Gegen 21 Uhr schlief ich wegen völliger Erschöpfung ein. Es war beängstigend still, ich hörte selten aus Kilometerweiter einen Hund bellen, sonst nichts.
Am wichtigen am dem Tag waren wieder meine Karte, die Musik und Wasser. Diese Fahrt war reine Kopfsache, ich kämpfte mit den Gedanken nicht zu schwächeln, setzte mir kleine Ziele und lernte mich über jedes erreichte Ziel zu freuen. Ich war glücklich als ich den See sah und auch was aß. Das sind vielleicht Kleinigkeiten, aber über sowas sollte man sich auch freuen können. Mein Ziel erreichte ich natürlich wieder nicht, es fehlten mir vielleicht 20 – 40 Kilometer bis Königslutter.
-> Weiter zu: Tag 4, im Niemandsland