Tag 2, jetzt geht es richtig los

Mein heutiges Ziel ist Coppenbrügge und dort irgendwo eine Schlafmöglichkeit finden.

Morgens gegen 7 Uhr stand ich ausgeschlafen und gut gelaunt auf, machte mich kurz fertig und schlich mich aus dem Haus Richtung Fahrrad. Taschen drauf und los ging es!
Ab jetzt wusste ich, dass ich jetzt noch zurück fahren konnte. Danach wird es schwieriger mit der Heimfahrt auf dem Fahrrad. Den Zug habe ich aus meinen Gedanken gestrichen. So mit wäre ich ab jetzt nun richtig auf Tour. Diesen Gedanken trug ich ca. 10 Sekunden bei mir, bevor ich immer noch übermotiviert los fuhr.

Mein Magen sagte, er hätte hunger, also musste ich ihm helfen. Das einzige Problem, es ist Sonntag ca. 07:30 Uhr, wo kriegt man hier was zu Essen her? Nachdem ich 2 geschlossene Tankstellen entdeckt habe, fuhr ich zurück Richtung Innenstadt. Ich fuhr dort durch die schöne Altstadt und machte ein paar wenige Fotos.

Altstadt Rheda-Wiederbrück
Altstadt Rheda-Wiederbrück
Altstadt Rheda-Wiederbrück
Altstadt Rheda-Wiederbrück

Endlich fand ich eine Frau auf der Strasse! Ich fragte sie, ob es hier irgendwo um diese Uhrzeit eine Möglichkeit gibt was zu essen zu kriegen, die Tankstellen seien leider zu. Ich weiß, das hört sich vermutlich an, wie jemand von der Strasse, aber in dem Moment war ich ja irgendwie einer oder ich fühlte mich so.
Sie sagte mir, es gibt hier in der Nähe einen Bäcker, der müsste offen sein. Glücklich fand ich den, ein Kakao und 3 Backwaren später wollte ich südlich von Güterloh und Bielefeld Richtung Lemgo fahren. Ca. 10 km hinter Wiedenbrück fragte ich einen netten Herren um den Weg (Westfalenweg vor Verl). Tja, wir unterhielten uns ca. 1 Std über das Leben und kleine Erlebnisse. Sicherlich hätten wir noch länger mit einander gesprochen, allerdings mussten wir beide allmählich weiter. Er kam auch ein Stück mit, da er eh den Weg zu seinem Haus entlang fahren musste.

Irgendwann kam ich zu einer Landstraße ohne Fahrradweg und einen 30 cm breitem Seitenstreifen, natürlich ging es dort sehr sehr steil bergauf. Ich fuhr also mit Schritttempo rauf. Autos und LKWs, fuhren mir die ganze Zeit an mir vorbei. Mir kamen Gedanken ob ich überhaupt hier fahren darf, aber da war ja sonst nichts und ich wollte keine 30 km oder mehr Umweg in den Bergen machen. Es war ein richtiger Kraftakt. Die Strasse zog sich einige Kilometer. Manchmal ging es bisschen runter, aber dann noch weiter wieder rauf. Durch das Gewicht hinten fühlte es sich an, als hielt mich hinten jemand fest oder ich einen Platten hätte, deshalb drehte ich mich immer wieder um. Das passierte allerdings während der ganzen Fahrt.
Ich versuchte mich beim Fahren nur auf den Seitenstreifen zu konzentrieren um keine Autofahrer zu stören. Dabei hörte ich die ganze Zeit meine Musik, die mir in einigen Moment sehr viel Kraft gab. Ich wunderte mich immer wieder warum ich immer noch auf dem Fahrrad fuhr ohne so richtig Erschöpft zu sein. Aber diesen Gedanken durfte ich nicht lange mir mit herumschleppen, ich musste mich ablenken, also konzentrierte ich mich wieder auf den Seitenstreifen und die Musik. Verfiel aber auch schon mal in einige Gedanken, was ich noch tun möchte, was ich alles getan habe, warum Dorfmenschen so gesprächsfreudig sind und Stadtmenschen nicht usw. Ich musste mich ablenken.
Plötzlich sah ich einen großen weißen Vogel mit dunkeln Endfedern an den Flügeln. Der Vogel sah so schön aus. Der war auch recht groß. Das sind die kleinen schönen Momente wo ich mir dann gesagt habe, genau so was wollte ich auch sehen, es gab mir einen kleinen Kraftschub. Bis heute weiß ich allerdings nicht, was das für ein Vogel war.

Kurz darauf kam noch ein Tunnel, das war für mich der Höhepunkt auf dieser Landstraße, der Bürgersteig war dort keine 50 cm breit und ich mit dem dicken Fahrrad, ich hatte also nur wenige Zentimenter Bewegungsfreiheit. Zum Glück war der Tunnel vielleicht nur 1 km lang. Endlich raus und es war eben. Naja, falsch gedacht, nächste Landstraßenausfahrt war so was von steil, die musste ich natürlich nehmen. Trotzdem habe ich es geschafft dort ohne abzusteigen hoch zu kommen. Da kamen mir immer wieder Gedanken hoch, wo her kommt meine Kraft? Motiviert war ich aber immer noch, leider nicht mehr so wie am 1. Tag. Ich wollte es einfach nur schaffen, vielleicht durch diesen Gedanken war ich stärker als bei den Minifahrten an Wochenenden. Also ohne großartig an den Kraftmangel nach zu denken, einfach nur schaffen. Augen zu und durch, egal was kommt. Oben angekommen war ich in einem Dorf, endlich Menschen und Häuser und eine kleine Trinkpause. Das war bisher mein härtester Akt, leider sollte das nicht der letzte sein.

Die Gegend hier sieht sehr schön aus, allerdings wird es immer bergiger. So schön auch alles aussah, so kräftemäßiger wurde es.

Juhu, bergab. Aber was ist das da hinten, so hoch??
Juhu, bergab. Aber was ist das da hinten, so hoch??

Kurz vor dem Bild jubelten mir einige sehr gut gelaunte Menschen zu, als sie mir einen Weg freimachten. Das war lustig 😀
Ich fuhr danach öfter mal einen längeren Weg runter und war zufrieden, wie schön es runter gehen kann. Allerdings waren die Fahrten rauf wirklich immer noch sehr hart. Bei meinen kleinen Trinkpausen trank ich viel Wasser obwohl ich keinen großen Durst hatte. Inzwischen kam ich auf die Idee, nicht immer 3 volle Flaschen Wasser dabei zu haben, sondern immer wieder 1 Flasche neu zu holen, das gäbe mir eine kleine Pause im Geschäft und ich habe weniger Kilo Gewicht. Das tat ich allerdings zum Glück nicht, die Idee war trotzdem gut, passt aber nicht in jede Region rein.
Schön fand ich solche Moment, wo ein Herr an der Ampel stand und mich plötzlich sah. Er reiste seinen Mund weit auf und schaute mich an. Ich lachte ihn an und grüßte ganz freundlich. Er reagierte nicht und schaute mich weiter an, als wäre ich von einem anderen Stern. Es lag bestimmt am Strohhut 😀
Nördlich von Lage, durch Lemgo und Dörenkamp durch, echt schön hier.

NSA oder doch guter Astra-Empfang?
NSA oder doch guter Astra-Empfang?
schöne landschaften
schöne landschaften
sieht nicht steil aus, war aber sehr steil
sieht nicht steil aus, war aber sehr steil
Weser
Weser

Nach Dörentrup wollte ich eine Abkürzung Richtung Aerzen nehmen. Erstmal mit einem älteren Herren unterhalten der mir den Weg auch sagte. Danach in eine Pommesbude Nudeln essen, das habe ich mir auch verdient! Dort saß ich ca. 2 Stunden. Die sehr netten Herren luden mir meinen Lautsprecher neu (ich habe für das Solarladegeräte leider nicht alle Adapter mitgenommen) und unterhielt mich mit einem Gast, der wohl eine lebende Navigationskarte ist. Mit ihm ging ich die ganze Route noch mal durch.
Der Wirt und seine beiden Helfer standen auch bald neben mir und wir unterhielten uns. Der ältere Mann von vorhin kam auch noch dazu. Es war sehr schön. Aber so richtig erschöpft war ich immer noch nicht, was mich immer noch wunderte. Ich hatte sogar immer noch ein Grinsen im Gesicht, zwar kleiner, es war aber da. Leider bemerkte ich in meiner rechten Hand im kleinen Finger und im Ringfinger ein Taubheitsgefühl in den Kuppen. Obwohl ich genau darauf geachtet habe die Sitz- und Haltepositionen der Arme zu wechseln.
Die Herren empfahlen mir nicht die Abkürzung zu nehmen, die sei zwar wirklich sehr sehr schön, aber dafür noch um so härter.
Gut, also fuhr ich die B1 weiter und nicht wie geplant nach Alverdissen. Die Fahrt ging weiter über Barntrup Richtung Aerzen und Hameln. Immer wieder ging es hoch und runter, hoch und runter, langsam merkte ich es in den Oberschenkeln, erste Erschöpfung also. Bei Hameln bog ich Richtung Coppenbrügge ab, jetzt kam für mich das härteste Stück und mein Höhepunkt was körperliche Belastung angeht. Es ging wirklich sehr steil rauf und runter. Mein linkes Knie schmerzte zu dem. Ich fing an nur mit einem Bein zu fahren.
Leider war ich noch einige Kilometer von Coppenbrügge entfernt und lange nicht mehr auf der Landstraße, da mir eine Abkürzung empfohlen worden ist. Ich raste kleine Straßen mit sicherlich 50 km/h herunter, weil es so steil war, dann schob ich wenige Kilometer mein Fahrrad rauf und das selbe noch mal und noch mal. Das Laufen fiel mir sogar schwer.
Ich ging durch Dörfer mit gefühlten 20 Häusern durch, rauf und runter. Drum herum die Berge mit Wäldern, ein wirklich wunderschöner Anblick, trotz Schmerzen. An Feldern kamen auch noch meine Freunde wieder, Bremsen! Also musste ich schon mal den Berg rauf laufen und machte hin und wieder meinen berühmten Hau-Ab-Tanz. Manchmal lief ich und sprang auch schon mal auf das Rad und merkte dann nach 5 Metern, dass das Schieben doch einfacher sei als einbeinig den Berg hoch zu fahren. Leider hatte ich noch ca. 2 Stunden Sonne und ich war immer noch nicht in Coppenbrügge.
In Verzweiflung fragte ich Leute nach Schlafmöglichkeiten und mir wurde ein Campingplatz ganz in der Nähe empfohlen, ich wollte halt niemanden zur Last fallen, egal jetzt. Also schob und fuhr zum Teil zum Campingplatz. Der soll vor Coppenbrügge sein.
Aber es gibt noch eine Abkürzung über die Feldwege, so mit wäre es nicht sooooo hart für mich, meinten die Leute. Super dachte ich! Aber auf den Feldwegen ging es wieder rauf und runter, rauf und runter. Mein armes Knie 🙁 Ich dachte, wenn jetzt noch mein rechtes Knie anfängt weh zu tun, tja, aber damit durfte ich mich nicht lange befassen, alles schlechte raus aus dem Kopf, ich musste mich auf den Weg konzentrieren.
Irgendwie verfahre ich mir gerne, egal ob mit Auto oder Fahrrad, also bin ich 2 – 3 Mal falsch abgebogen (es gab 2 asphaltierte Wege, ich sollte einen nehmen, ich nahm bestimmt den falschen, warum passiert immer mir sowas). Jetzt stehe ich da mitten im Niemandsland. Das Dorf ist mit meinen Kräften kaum erreichbar, ein Fahrradfahrer in 1 – 2 km Entfernung konnte ich leider nicht mehr einholen und zur Überraschung, an den Feldern gibt es auch meine Freunde wieder, Bremsen!, ich hasse Bremsen!!!
Ein kurzer Ruf ob hier jemand ist, war erfolglos. Mir antworteten nur Kühe mit ihrem berühmten MUUUH, aber das half mir nicht so viel weiter, ich kann kein Kühisch 🙂 Also zum Teil im Spurt wegen den Bremsen!, und völlig fertig im Feld eine gute Schlafmöglichkeit gesucht.
Siehe da! Tatsächlich, da ist da eine sehr gute Stelle sogar: Eine Art kleine Scheune, die auf einer Wiese steht! Noch mehr Glück, das Feld ist sogar noch offen! So mit muss ich nicht über den Stacheldraht klettern. Natürlich hatte ich dann noch mehr Glück, es gab dort keine Bremsen! Ich schmiss mein Fahrrad an einer Seite der Scheune hin, so dass man die nicht von oben und von der Seite der Strasse sehen konnte und fing an mein Zelt ohne Gebrauchsanweisung zusammen zu bauen. Sonne war fast weg und mein Zelt stand, ich war glücklich! Fahrrad an das Zelt gebunden, Taschen rein ins Zelt und mich selber natürlich auch. Dann nur noch Augen zu machen. Ich schlief sofort ein. Ich vermute dass ich gegen 21:30 eingeschlafen bin. Trotzdem wachte ich immer wieder auf, ich hatte Angst, dass morgens ein Bauer mit einem Traktor angeschossen kommt und mich übersieht.

so kaputt, endlich ein Schlafplatz
so kaputt, endlich ein Schlafplatz
so kaputt, endlich ein Schlafplatz
so kaputt, endlich ein Schlafplatz
so kaputt, endlich ein Schlafplatz
so kaputt, endlich ein Schlafplatz

Mein Player etc. sind mir immer noch ganz wichtig, aber Wasser und Essen sind inzwischen auch sehr wichtig geworden, genau wie meine Landkarten. Meine Kraft setzte Abends allmählich aus, so mit war es zum Schluss nur noch Kopfsache. Immer wieder sagte ich mir, weiter und weiter und durfte nicht über die Schmerzen und Erschöpfung nachdenken, ich lenkte mich mit sehr viele Gedanken ab, redete mir Sachen ein, damit ich was zum Nachdenken hatte und erfand sogar kleine Fatasiegeschichten, nur ablenken, nicht an die Beine denken. Hier sah ich auch, wie wichtig es ist ein Fahrrad richtig zu beladen. Dass das Rad nicht für meine Körpergröße und für solche Fahrten geeignet ist, war mir allerdings von Anfang an klar. Aber ich sagte mir, dann wird die Tour doch interessanter.

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